Kürzlich nahm ich zum zweiten Mal an den Crossgames Europe in Prag teil. Das letzte Mal war im Jahr 2019, und aufgrund eines Magen-Darm-Konflikts war meine Teilnahme nicht sehr repräsentativ, da ich den gesamten Sonntag gefehlt habe. Nun aber zum Event dieses Jahres.
Ein paar Eckdaten zum Event:
Teilnehmer: 85 Nationen: 14 (darunter 2 japanische Werksfahrer)
Untergrund: Forbo Marmoleum Home H77 (eine Art P-Tile, wie sie in Japan verwendet wird) Reifen: Overdose Valino Pergea 08C
Format: Competition nach japanischem Vorbild
Judge: Atsushi Ito (Weld xXx Overdose)
Schweizer Teilnehmer: Andi (Chläbi) Kleeb, Remo Speckert, Pascal Bieri
Dieses Jahr waren wir bereits am Freitagnachmittag auf der Strecke, auf der ein freies Training stattfindet. So konnte man bereits einige Runden fahren und sich auf den neuen Boden, die Reifen und das Layout einstellen. Denn am Samstag ging es Schlag auf Schlag. Nach dem ersten 10-minütigen Training folgte bereits der erste Qualifikationslauf. Anders als in Europa üblich kommen nur ein Bruchteil der Fahrer in die Battles am Sonntag. Von den 85 Teilnehmern können sich mit 2 separaten Qualifikationsläufen die ersten 16 Fahrer fix qualifizieren, die verbleibenden 8 Finalplätze wurden in einem dritten Qualifikationslauf am Sonntagmorgen vergeben. Dabei wurde das Ergebnis vom Samstag gelöscht, und man musste also wieder alles riskieren, um einen der 8 letzten Plätze zu ergattern. Lassen Sie uns das Geschehen nun chronologisch durchgehen.
Grundsätzlich war ich während der Trainings sehr zuversichtlich. Bald konnte ich bereits an den letzten Millimeter-Details arbeiten und hatte generell ein gutes Gefühl. Das Hauptproblem waren dann eben diese letzten Millimeter. Der eckige AE86 war dabei überhaupt nicht hilfreich, auch weil es aufgrund seiner Form optisch schwieriger war, wirklich nah an die Bande zu fahren. Denn wenn ich komplett an der Bande war, sah es immer noch aus, als wäre eine 5-6 mm große Lücke vorhanden. Gerade im Vergleich zu den Supra MK5- und Nissan S15-Karosserien fiel der Unterschied extrem auf. Deshalb habe ich am Samstagabend meinen Stoßfänger noch mit einem fluoreszierenden Streifen ergänzt, um ihn optisch besser erkennbar zu machen.
In meinen Qualifikationsläufen haben sich immer wieder unnötige Fehler eingeschlichen, weswegen ich mit 87,5 bzw. 88 Punkten die Top 16 knapp auf dem 19. Platz verfehlte. Remo konnte sich hingegen mit seinem starken ersten Lauf (91 Punkte) auf dem 7. Platz für die Top 16 qualifizieren. Nach der verpassten Qualifikation habe ich mein Chassis leicht umgebaut und dem Setup von Remo gefolgt. Das Setup findest du auf SoDialed: https://sodialed.com/s/75nc
Bei den letzten Trainingsrunden am Samstagabend wurde ich auch von Atsushi Ito beobachtet. Nach den Setup-Änderungen war ich sehr sicher auf der Strecke und konnte einen Top-Lauf nach dem anderen hinlegen. Dabei war mein Ziel stets, auf der Geraden möglichst viel Driftwinkel zu generieren, um in der großen Kurve mit einem schnellen «Snappy» Einstieg in den hohen Winkel zu werfen, also von 0 Grad Winkel auf vollen Winkel in möglichst kurzer Entfernung. Darauf hat mich Ito dann auch angesprochen, dass dies nicht der Stil ist, den er in der Qualifikation sehen möchte (wurde im Briefing nie erwähnt). Das Ziel ist eine möglichst langsame Einleitung in den maximalen Winkel und anschließend in diesem maximalen Winkel die Kurve zu fahren. Dieser Input war Gold wert, denn durch diese langsame Einleitung hat man viel mehr Zeit, das Auto präzise an den dritten Clippingpoint zu setzen und so noch präzisere Runden zu drehen. Gesagt getan, in den letzten Trainings am Sonntag nochmals alles perfektioniert und anschließend mit einem 92,5-Punkte-Lauf doch noch einen Platz in den Top 24 gesichert.
Battles
Nun standen die Battle-Trainings an, und Remo und ich hatten bereits die Sorge, dass nun der Winkel reduziert und die Geschwindigkeit erhöht wird. So war es im ersten freien Training auch der Fall, im finalen Training in der jeweiligen Gruppe wurde dies jedoch wieder abgelegt. Denn der Stil war klar: Der Leader sollte die perfekte Qualifikationsrunde zeigen. Das bedeutete maximalen Winkel (70-85 Grad, je nach Kurve), komplett an der Bande kleben und flüssig fahren. Dadurch war es dem Leader nicht möglich, davonzufahren. Denn stimmte der Lead nicht, so konnte man noch so einen guten Chase zeigen, aber man würde das Battle nicht für sich entscheiden. Remo und ich waren im gleichen Baum, daher konnten wir auch einige Runden zusammen fahren. Schlussendlich hatten wir beide ein sehr gutes Gefühl und waren bereit für die Battles.
Remo war bereits in den Top 16 gesetzt, ich musste zuerst noch gegen Robert Tobiasson aus Schweden antreten, um das Top 32 zu überstehen. Robert qualifizierte sich mit 88,5 Punkten auf Platz 14. Das Battle war geprägt von Fehlern auf beiden Seiten, und ich war froh, dass der Judge den Sieg mir zugesprochen hat. Über ein OMT wäre ich jedoch auch nicht erstaunt gewesen, aber ich denke, schlussendlich hatte der Judge seine Gründe.
Im Top 16 Battle traf ich dann auf den derzeit wohl erfolgreichsten europäischen Fahrer, Sebastian Thorley aus Deutschland. Seb überzeugte mit sehr präzisen Runden, selten konnte man bei ihm einen Fahrfehler erkennen. Ein Battle der Extraklasse kündigte sich an. Da ich der schlechter qualifizierte Fahrer war, musste ich zuerst chasen. Seb schlug ein hohes Tempo an, das er aufgrund des reduzierten Winkels gehen konnte. Die Linie war super. Ich passte meinen Winkel im Chase ebenfalls an und konnte so einen starken Chase zeigen (gute Nähe, sehr gute Winkeladaption und korrekte Fahrzeugpositionierung). Lediglich zwei leichte Bandenkontakte waren nicht ideal. Da aber im ganzen Event solche Berührungen nur marginal bestraft wurden, war noch alles offen. In meinem Lead konnte ich einen nahezu perfekten Lead einfahren. Hoher Winkel (bestimmt 10-15 Grad mehr Winkel als der Lead von Seb), präzise und flüssig. Seb konnte zwar mit einer außerordentlichen Nähe folgen, ihm war es jedoch nicht möglich, den Winkel zu adaptieren.
Dazu diese beiden Standbilder, bei denen der Unterschied extrem ist.
Dementsprechend war die Entscheidung auch schnell gefällt (zu Überraschung der Thorleys, aber ich hoffe, dass ihre Einsicht nun auch noch folgen wird), und ich konnte in die Top 8 einziehen. Nachdem ich Seb besiegen konnte, wusste ich, heute ist alles möglich. Auch wenn der nächste Gegner Ryo (japanischer Werksfahrer von Overdose und TQ) ist. Ich konnte zwar einen sehr guten Lead und einen sehr guten Chase zeigen, aber Ryo war einfach zu stark. Ein nahezu perfekter Lead, gepaart mit einem nahezu perfekten Chase. Ich ziehe meinen Hut vor dieser Leistung. Das gleiche Schicksal erfuhr anschließend auch Remo, der zwar zuerst noch ein OMT herausholen konnte. Ebenfalls eine außerordentliche Leistung. Für ihn war aber dann auch im Top 4 Schluss. Da er jedoch das kleine Finale klar für sich entscheiden konnte, konnte Remo den Event auf dem hervorragenden 3. Platz abschließen. Für mich war es schlussendlich Rang 8. Ein leicht bitterer Nachgeschmack hatte es, als ich den Battlebaum mal zerlegt habe. Grundsätzlich sollte dieser ja immer gleich aufgebaut sein. (TQ vs. 32 in der Top 32, TQ vs. 16 in der Top 16, TQ vs. 8 in der Top 8, usw.) Dies war leider nicht gegeben an diesem Event. Ich habe es kurz von Hand aufgeschlüsselt, wie die Paarungen gewesen wären, wenn dies gestimmt hätte. So wäre ich erst im Finale auf Ryo getroffen, bzw. in der Top 4 auf Remo. Ich habe das Gefühl, diese Paarungen wären schlussendlich den effektiven Leistungen mehr gerecht geworden. Aber das ist nur ein Jammern für die Statistik;)
Ich nehme extrem viele Einblicke und Erfahrungen aus diesem Wettkampf mit. Der Austausch mit Atsushi Ito war sehr interessant, und eine Japanreise steht definitiv in Zukunft auf dem Programm. Es war interessant zu erfahren, dass es in Japan kein detailliertes Briefing gibt. Es ist sowieso klar, dass der Lead mit dem maximal möglichen Winkel gefahren werden muss. Hier können sich europäische Veranstaltungen und Judges eine riesige Scheibe abschneiden, denn ich behaupte, dass alle Top 24 Battles in den letzten paar Jahren in Europa in Bezug auf Niveau und Optik die hochwertigsten waren. Es war keine reine Traktionsjagd, bei der der Leader einfach vorne weg fahren konnte und dem Chaser das Leben schwer machen konnte. Das Battle entschied sich im Chase (sofern beide Lead-Läufe gut waren). So hat es extrem viel Spaß gemacht. Diese Erfahrung wird auch in zukünftigen Wettbewerben von mir einfließen. Auch der Qualifikationsmodus war cool, genau richtig für einen Event mit einem so hohen Niveau. Auch wenn es natürlich schade ist, dass der «Nachwuchs» kein Battle fahren kann, da nur 24 von 85 Fahrern diese Chance bekommen. Die Qualität der Battles war jedoch extrem hoch. Und das Beste, auch die Qualifikation war wie ein Wettbewerb für sich, der extreme Spannung bot. Jeder Lauf musste sitzen. Das hat mir sehr gefallen. Ich hoffe, in Zukunft werden wir mehr solche Wettkämpfe in Europa haben und weiterhin solch spannende Battles austragen können.